ST. PÖLTEN
Konservatorium für Kirchenmusik

Orgelpositiv nach Johann Ignaz Egedacher 1728

2022          Restaurierung / Rekonstruktion       3+1  Register

Disposition:

Manual: C,D,E,F,G,A - c3
Copel 8´   Nußbaum/Fichte gedeckt, dis°-c3 von 1728
Fleten 4´   Eiche, offen, C-fis1 von 1728
Principal 2´   75% Zinn
Pedal: C,D,E,F,G,A -              repetiert auf c°
Bordunbass 8'   Eiche/Fichte, gedeckt

Stimmtonhöhe 465 Hz bei 20°C

Das Konservatorium für Kirchenmusik der Diözese St.Pölten erhielt vor einigen Jahren die Hausorgel des ehem. Direktors des Konservatoriums Prälat Dr. Walter Graf. Diese Hausorgel wurde in den 1960er Jahren aus Überresten eines Orgelpositivs gebaut, die auf dem Dachboden des Pfarrhauses in Stein a.d. Donau eingelagert waren. Laut den Kirchenakten wurde 1728 für die Stadtpfarrkirche Stein ein Positiv angeschafft, welches 1734 von Johann Christoph Pantzer repariert wurde. Daher wurde die Urheberschaft der alten Orgelteile zunächst diesem lokalen Orgelbauer zugeschrieben.
In der Hausorgel erhalten waren eine Windlade mit 45 Tönen und drei Schleifen, eine alte Balgplatte, sowie Holzpfeifen eines gedeckten 8' und eines offenen 4'-Registers. Die größeren 8'-Pfeifen stammten allerdings offensichtlich aus einem anderen Bestand. Auf Initiative des St.Pöltner Kirchenmusikers Johann Simon Kreuzpointner wurde angestrebt, aus den barocken Überresten ein Orgelpositiv zu entwickeln, welches dem Konservatorium als Unterrichts- und Übeinstrument für den Gebrauch der kurzen, großen Oktav zur Verfügung stehen wird. Zudem sollte ein vorsetzbares Podium ein selbständiges 8'-Register samt Windlade und Pedalklaviatur aufnehmen, so dass das Instrument auch als Pedalpositiv spielbar ist.
Im Zuge der weiteren Untersuchungen des barocken Bestandes kam es dann zu einigen, teils "folgenschweren" Entdeckungen. Zunächst traten unter dem blauen Papier der Balgumkleidung noch vier bauzeitliche Faltenpaare aus feinsten Eichenholz zutage, welche die Dimension und Bauweise der Keilbälge präzise eingrenzten. Des weiteren waren die beiden größten erhaltenen Holzpfeifen des 8'-Registers dis° und e° noch mit der originalen Kröpfung versehen. Diese Töne stehen allerdings auf dem Prospektstock ganz rechts. Daher folgerten wir, dass das ursprüngliche Gehäuse auf der Diskantseite niedriger gewesen sein musste, also asymmetrisch / harfenförmig. Diese Gestaltung stiess jedoch zunächst bei den Auftraggebern auf gesunde Skepsis. Doch schließlich entdeckte Herr Kreuzpointner, der zuvor schon unermüdlich die Archive nach Hinweisen zu Ursprung und Geschichte des Instrumentes durchforstet hatte, in den Kirchenbüchern von Stein in der Sparte "Hostien, Öl, Wachs und andere Kirchen-Notwendigkeiten" eine Rechnung Johann Ignaz Egedachers aus dem Jahre 1728 über ein neues Positiv. Durch diese Entdeckung war nicht nur der Ursprung zweifelsfrei geklärt. Es fanden sich nach kurzer Recherche auch einige Vergleichsinstrumente in Passau, Braunau, Salzburg und Klagenfurt, nach denen weitere Details, wie z:B. die Klaviatur und die Stechermechanik, oder das fehlende 2'-Register rekonstruiert werden konnten.
Für die aufwändige Rekonstruktion des Gehäuses konnte die Berufsfachschule für Schreinerei und Bildhauerei in Berchtesgaden gewonnen werden. Unter der Leitung von Schreinermeister Rochus Sebold, der bereits über langjährige Erfahrung im Bau von Orgelgehäusen verfügt, wurden die Einzelteile aus massiven, teils sogar dampfgebogenen Nußholz miteinander verzapft, verzinkt und verleimt.
An der bauzeitlichen Windlade mussten einige zwischenzeitliche Veränderungen am Rahmen und an den Schleifenbahnen wieder rückgeführt werden. Alle Lederteile wurden erneuert. Die zuvor mit Mahagoni-Beize verunstalteten Holzpfeifen wurden vorsichtig abgelaugt und restauriert. Die offene 4'-Flöte musste teilweise angelängt werden. Die fehlenden Pfeifen wurden anhand der Pfeifenstockbohrungen rekonstriert. Die alte Balgplatte und die alten Balgfalten wurden anhand der Spurenlage zu einem fünffaltigen Keilbalg ergänzt, sowie ein zweiter, baugleicher Balg neu angefertigt. Unter den Bälgen befindet sich ein kleines Gebläse, welches über die Keilbälge das Positiv und das Pedalpodium mit Wind versorgt. Natürlich können die beiden Bälge aber auch von Hand gezogen werden.
Die überaus engen Mensuren der historischen Pfeifen führen in Verbindung mit der ungleichstufigen Temperierung zu einem schlanken aber farbigen Klangbild.